Unternehmer sein
„Unternehmer im Unternehmen“ – ein Schlagwort seit Urzeiten – verbunden mit dem Imperativ, die Mitarbeiter sollten sich gefälligst unternehmerisch verhalten.
Häufig bedeutet es einfach, sie sollen sparsam mit Ressourcen umgehen, mitdenken und nicht nur auf Befehl handeln, ihren Job immer besser machen und das Unternehmen als ihr eigenes ansehen. Also eigentlich ganz biedere Verhaltensweisen, die anständige bürgerliche Menschen sowieso zeigen. Wenn dazu aufgefordert werden muß, liegt wohl etwas im Argen.
Wenn man versucht, das Motto „Unternehmer im Unternehmen“ genauer zu verstehen, erkennt man schnell die Paradoxie: Wenn ein Angestellter Unternehmer sein will, kann er nicht mehr Angestellter sein, sondern muß das Unternehmen verlassen und ein Unternehmen gründen oder übernehmen. Ein wirklich unternehmerischer Mensch wird als Angestellter in einem großen Unternehmen an Hierarchien, Abstimmungen und Regeln verzweifeln.
Einige Unternehmen haben es aber immer schon beabsichtigt und teilweise auch verstanden, wirklichen Gründergeist und entsprechendes Risikoverhalten von Mitarbeitern im Unternehmen zu halten und zu binden, ja, diese sogar hervorzurufen und zu fördern.
Gifford Pinchot hat den Ansatz mit „Intrapreneuring“ bezeichnet und ihn in seinem Buch mit gleichem Titel von 1985 ausführlich dargestellt.
Eine Idee für den Neustart
Bei der Neuausrichtung eines europäischen Markenartikelherstellers in den 90er Jahren bewegten wir in der Organisations- und Personalentwicklung alle Hebel:
- wir schufen kleinere ergebnisverantwortliche Business Units, organisiert nach Produkten und Märkten,
- strukturierten das Projektmanagement
- führten Gruppenarbeit in den Werken ein,
- organisierten europaweites Management Development,
- starteten ein internationales Graduate-Traineeprogramm und
- unterstützten das Ganze mit intensivem Training.
- Selbstverständlich tauschten wir auch eine Reihe von Managern aus.
Das reichte uns aber nicht! Von der Idee des Intrapreneurship erwarteten wir uns erhebliche zusätzliche Dynamik.
Wir entwickelten
Das Intrapreneurmodell
Wir kaperten den Begriff „Intrapreneur“, kochten ihn sozusagen deutlich runter und richteten ihn nach unserem Bedarf aus.
Die Grundprinzipien sind
- Projektbezogene Aufgabenstruktur
- Unternehmerische Verantwortung und
- Risikobezahlung
Ausgehend von der frisch eingeführten Projektorganisation stellten wir die Projekte als Unternehmen im Unternehmen dar, dementsprechend den Projektleiter als Intrapreneur. Der Zugriff der Projektleiter auf Teams und Ressourcen war – wie zu erwarten – ein dauerndes Konfliktfeld, aber ein äußerst kreatives und produktives. Im zweiten und dritten Jahr der Realisierung brachten wir ein Feuerwerk von Innovationen heraus: zuallererst neue Produktvarianten, aber auch technische und organisatorische Verbesserungen. Und das dritte Jahr war das erfolgreichste der Unternehmensgeschichte.
Tja, und dann wurde das Unternehmen an Procter & Gamble verkauft.
Die Lernerfahrung ist jedenfalls klar:
Vorausgesetzt, man findet Mitarbeiter, die „anbeißen“, bringt das Intrapreneurmodell schnell erfolgreiche Innovationen hervor. Den Effekt des projektbasierten Ansatzes von den anderen Organisationsveränderungen zu trennen, ist natürlich nicht möglich. Anders herum ist das Intrapreneurmodell ohne eine innovations- und entscheidungsfreudige Organisation nicht vorstellbar.
Der Ausblick
oder: was wir uns noch vorgenommen hatten und nicht realisieren konnten
Um das Intrapreneurmodell weiter zu kultivieren sind einige Faktoren zu systematisieren:
Die Auswahl der Projektleiter / Intrapreneure, die Definition der Projekte, die Risikobezahlung.
Wir haben mit laufenden Projekten begonnen und brauchten am Anfang über Inhalte und Projektteams nicht lange nachzudenken. In der nächsten Phase starteten die Manager neue Projekte, die im Management Plan festgelegt und im neu eingerichteten Multiprojektmanagement-System monitoriert wurden. Dabei setzten wir als Projektleiter gezielt jüngere Manager ein, weil die Bedeutung des Intrapreneurmodells für das Management Development von vorn herein allen bewußt war.
Für die weitere Entwicklung stellten wir uns vor, daß Projekte nicht nur von den Managern vorgegeben werden sollten, sondern daß jeder Projekte vorschlagen konnte. Je nach Umfang wäre innerhalb der Organisationseinheit oder vom Vorstand über die Durchführung entschieden worden. Auch für die Mitarbeit in Projektteams wäre ein „Markt“ entstanden.
Mittlerweile höre ich auf Kongressen, daß innovative Unternehmen ähnliche Ansätze praktizieren.
Für die Risikobezahlung nutzten wir lediglich die variablen Gehaltsbestandteile und entwickelten keine weiteren Konzepte. Hier ist natürlich breiter Raum für Kreativität. Pinchot läßt sich auch über Venture Capital aus – für unsere Größenordnungen genügten die Projektbudgets.
Weiter gedacht …
oder: alles nur noch „kreative Zerstörer“?
Aus der Unternehmenssituation heraus wurde unser Intrapreneurmodell auf Innovationprojekte ausgerichtet. Das war richtig und erfolgreich.
Nun kann und darf aber nicht jeder im Unternehmen dauernd innovativ als „kreativer Zerstörer“ am Werk sein. Die meisten arbeiten mit festgelegten Methoden, Abläufen oder Systemen und sind damit beschäftigt, „die richtigen Dinge richtig zu tun“, damit Ziele zu erreichen, Standards einzuhalten und natürlich kontinuierliche Verbesserung zu betreiben.
Das klingt nach gähnender Langeweile und verlangt nach Belebung und Dynamik. Die Antwort waren und sind Team- und Entwicklungsmodelle, die ein Höchstmaß an Autonomie und Entwicklungsperspektiven für jeden Mitarbeiter bieten.
Einen Beitrag dazu gibt es auf dieser Website.